Entwicklung/Hintergründe eines Qualitätsmanagements in der ambulanten Versorgung
Insgesamt ist die in den letzten Jahren verstärkt festzustellende Auseinandersetzung mit dem Thema "QM im Gesundheitswesen" wohl primär eine Konsequenz folgender Entwicklungen:
  • Die 72. Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat im Juni 1999 beschlossen, niedergelassene Ärzte zur Einführung von Qualitätsmanagement zu verpflichten. Zunächst (bis zum 01.01.2003) sind alle Einrichtungen (also auch Arztpraxen) angehalten, die Qualität ihrer Leistungen in jährlichen Qualitätsberichten zu dokumentieren und in geeigneter Form zu publizieren. Darüber hinaus sollen alle Einrichtungen bis zum 01.01.2005 ein an dem Stand der Wissenschaft und Technik orientiertes Qualitätsmanagement einführen.“
  • KBV und Krankenkassenverbände haben in den Bundesmantelverträgen Bestimmungen zur Qualitätssicherung formuliert.
  • Im "GKV-Gesundheitsreform-Gesetz 2000" wurden Verpflichtungen für Vertragsärzte aufgenommen; hiernach sind "Vertragsärzte verpflichtet, sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere das Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern" (§ 135a (2) SGB V). In § 136a SGB V wurde darüber hinaus geregelt, dass "der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die vertragsärztliche Versorgung durch Richtlinien die verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung bestimmt."
  • Die Gesundheitsreform aus dem Jahre 2003 verpflichtet Arztpraxen zur Einführung von Qualitätsmanagement; hierbei sollen diese von den Kassenärztlichen Vereinigungen unterstützt werden. Nach welchem Modell QM eingeführt werden soll und bis wann dies zu geschehen hat (01.01.2005 - siehe oben) bleibt offen.

Weiterhin ist festzustellen, dass sich auf der Grundlage der "EN 46001" ein medizin-spezifischer Qualitätsbegriff herauskristallisiert hat, der drei Dimensionen umfasst:

  • Strukturqualität mit solchen Ausprägungsmerkmalen wie z.B. Praxisstandort, materieller Ausstattung, qualifizierten Mitarbeitern, Aufbauorganisation usw.
  • Prozessqualität zielt auf die effektive und effiziente Gestaltung der wesentlichen (diagnostischen, therapeutischen und infrastrukturellen) Praxisprozesse ab; bei festgestellten Abweichungen zwischen Soll und Ist muss rechtzeitig gegengesteuert werden.
  • Ergebnisqualität bedeutet eine ständige Beobachtung (besser: Messung), ob die formulierten Ziele (Erhalt/Wiederherstellung der Gesundheit, Verbesserung der Lebenqualität und Wirtschaftlichkeit) mit den Prozessen tatsächlich erreicht werden.

Mit dem Thema "QM" beschäftigen sich die verschiedensten Institutionen und Privatinitiativen; vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sich kein einheitliches, geschlossenes QM-Modell abzeichnet. Mehr oder minder alle Quellen greifen die beiden führenden Modelle (EN ISO 9001 und EFQM) auf. Für den Krankenhausbereich ist die "Kooperation für Transparenz und Qualität" (KTQ) hervorzuheben, die ein einheitliches Verfahren für die QM-Zertifizierung von Kliniken entwickelt hat; ob dies Modellcharakter für die ambulante Versorgung hat, haben kann oder haben soll, ist für uns nicht ersichtlich.

Im Bereich der Kammern fällt neben den zahlreichen angebotenen QM-Schulungsmaßnahmen vor allem die intensive Beschäftigung mit dem Thema "Leitlinien" auf. Die "Ärtzliche Zentralstelle für Qualitätssicherung" (ÄZQ) hat hier wohl eine federführende Funktion übernommen und publiziert in ihrem Internetangebot bereits zahlreiche Leitlinien(-entwürfe) für einzelne Krankheitsbilder. In einem umfassenden QM-System entsprechend dem "ISO- oder EFQM-Modell" sind Leitlinien den Kapiteln "Dienstleistungsrealisation" (ISO) bzw. "Prozesse" (EFQM) zuzuordnen; hier wären sie ein wichtiges Hilfsmittel im Rahmen der Optimierung und des Nachweises wichtiger diagnostisch-therapeutischer Abläufe.

Mit der Entwicklung von Leitlinien beschäftigen sich im Schwerpunkt auch die zahlreichen "Qualitätszirkel", in denen auf freiwilliger Basis verschiedene Arztpraxen (der gleichen Fachrichtung) einer Region zusammenarbeiten. Teilweise beschäftigen sich diese Qualitätszirkel auch dezidiert mit dem Thema "Benchmarking". Insgesamt sind auch diese Ansätze als Teilaspekte eines umfassenden QM-Konzepts zu kennzeichnen.

Schließlich gibt es noch eine Reihe von - vorwiegend positiven - Erfahrungsberichten von Medizinern im Hinblick auf den Nutzen von QM im allgemeinen und ISO- oder EFQM-basierten QM-Projekten im besonderen; stellvertretend seien hier die Äusserungen zu einem Forschungsprojekt von Prof. Dr. R. D. Hesch aus dem Jahr 1998 zitiert:

"Insgesamt konnte unser Forschungsprojekt (TP2 im Verbundprojekt) zeigen, daß die Verwendung von DIN EN ISO 9000ff im niedergelassenen Medizinbetrieb als Ausgangsmaterial für ein geeignetes Regel- und Normenwerk zur Verbesserung der organisatorischen Managementqualität verwendet werden kann. Seine Wirkung auf unterschiedlichen Ebenen der Qualitätsverbesserung wurde analysiert und es konnte nachgewiesen werden, daß eine Qualitätsverbesserung meßbar zu erzielen ist. Es konnte ferner an Einzelbeispielen auch eine Kostenreduktion von Medizin durch ein QMS gezeigt werden. Das bisher vorliegende Normen- und Regelwerk muß jedoch für den ambulanten Medizinbetrieb insoweit modifiziert werden, daß es (1) der besonderen Dienstleistung "Medizin" und (2) der besonderen Betriebsgröße "Arztpraxis" gerecht wird. Hierfür schlagen wir ein "arztpraxisspezifisches modulares System" von DIN EN ISO 9000ff vor (ASM DIN EN ISO 9000). Dieses sollte von besonders ausgewählten externen Unternehmen in einzelnen Praxen, in Praxisgemeinschaften und in regionalen respektive überregionalen Praxisverbundsystemen eingebaut werden. Hierdurch kann neben einer Verbesserung der Medizinqualität auch die dringend erforderliche Vergleichbarkeit der Medizin im ambulanten Medizinbetrieb erzielt werden. Wir sind ferner der Meinung, daß ein ASM DIN EN ISO nur zu realisieren ist mit einem an Qualität, Qualifikation und Kompetenz angepaßten EBM, einem sogenannten "qualifizierten Bewertungsmaßstab (QBM)", wobei Qualität, Qualifikation und Kompetenz jeweils unterschiedlich honoriert werden müssen. Ohne eine der freien Wirtschaft angepaßte Änderung der Honorierung, die selbstverständlich den Sicherstellungsauftrag berücksichtigen muß, wird es zu keiner Verbesserung der Qualität im ambulanten Medizinbetrieb kommen."

Ergänzend ist hierzu anzumerken, dass das entsprechende Pilotprojekt auf Basis der alten, sog. "elementeorientierten" EN ISO 9000 ff. durchgeführt wurde. Die Revision der Norm aus dem Jahr 2000 in Richtung einer "Prozessorientierung" hat unseres Erachtens die Anwendbarkeit - auch für kleine Praxen - signifikant verbessert.

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