Das Modell "Qualität und Entwicklung in Praxen" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Die folgenden Ausführungen beruhen auf der Arbeitsversion 1.20, bearbeitet von Frau Dr. Diel und Herrn Dr. Gibis - Dezernat 2, Referat Qualitätsmanagement der KBV

Inhaltsübersicht

I. Einführung

II. Grundstruktur

III. Wesentliche Inhalte

Teil 1: Praxisführung und Qualitätsmanagement

Teil 2: Patientenversorgung

Teil 3: Information und Patientensicherheit

Teil 4: Mitarbeiter und Fortbildung

Teil 5: Rahmenbedingungen und Praxisorganisation

IV. Bewertung/Auditierung des QM-Systems

V. Fazit

Der QEP-Zielkatalog und das QEP-Manual sind zu
beziehen über den Deutschen Ärzteverlag

I. Einführung

Das hier betrachtete Modell soll die Grundlage für eine flächendeckende Einführung von QM in die ärztliche/psychotherapeutische Praxis ab dem Jahr 2004 sein. Vor diesem Hintergrund ist es als Angebot der Kassenärztlichen Vereinigungen an die Praxen zu verstehen, die im Gesundheitsmodernisierungsgesetz festgeschriebene Forderung zur Implementierung eines "einrichtungsinternen Qualitätsmanagements" systematisch umzusetzen. Neben dem im Folgenden skizzierten Modell selbst (Baustein A), umfasst das Unterstützungsangebot der KVen insbesondere noch ein Muster-Handbuch (Baustein B) sowie u.a. ein Schulungscurriculum (Baustein C).

Das Konzept sieht im Hinblick auf Baustein A eine abgestufte Vorgehensweise vor. Um die Praxen schrittweise an ein QM-System heranzuführen, ohne sie gleich zu überfordern, enthält das Modell sog. "Kernziele", die in einer ersten Stufe von den Praxen organisatorisch umzusetzen sind. Darüber hinaus finden sich in dem Gesamtmodell noch weitere Qualitätsanforderungen, die den Praxen Anhaltspunkte für eine weitere Verbesserung ihres QM-Systems bieten sollen. Die nachfolgende Darstellung der wesentlichen Inhalte des Modells orientiert sich an der engeren Fassung, also an den Kernzielen.

Zur Inhaltsübersicht!

II. Grundstruktur

Das Modell setzt sich aus fünf Hauptteilen zusammen, wovon Teil 2 "Patientenversorgung" den Schwerpunkt bildet. Teil 1 "Praxisführung und Qualitätsmanagement" stellt gewissermaßen den Überbau dar, während die Teile 3 "Information und Patientensicherheit", Teil 4 "Mitarbeiter und Fortbildung" sowie Teil 5 "Rahmenbedingungen und Praxisorganisation" als unterstützende Voraussetzungen einer optimalen Patientenversorgung (Teil 2) interpretiert werden können.

Zur Inhaltsübersicht!

III. Wesentliche Inhalte

Teil 1: Praxisführung und Qualitätsmanagement

Hier werden grundsätzliche Anforderungen an die Praxisführung und das zu etablierende QM-System gestellt. Wesentliche Stichworte hierbei sind:

  • Verantwortung der Praxisleitung für Patientenversorgung, Mitarbeiter, Qualitätsverbesserungen, interne Kommunikation usw.
  • Eindeutige und transparente Organisationsstruktur
  • Definition und Transparenz des Leistungsangebotes
  • Klare und gelebte Qualitätspolitik
  • Formulierung eindeutiger Qualitätsziele und deren kontinuierliche Überwachung, insbesondere zur Qualität der Patientenversorgung sowie zur Patientenzufriedenheit
  • Verfahren zum Umgang mit Anregungen oder Beschwerden von Patienten
  • Ein-/Durchführung einer Methodik zur kontinuierlichen Verbesserung
  • Dokumentation aller (qualitäts-)relevanten Abläufe und Vorgänge in einem Praxishandbuch.

In der Summe sind hiermit strategische Managementinstrumente angesprochen, mit deren Hilfe eine Praxis langfristig erfolgreich – im Sinne einer Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten – geführt werden kann.

Zur Inhaltsübersicht!

Teil 2: Patientenversorgung

Dieses Hauptkapitel beinhaltet Ziele und Anforderungen im Hinblick auf die Optimierung der Praxiskernprozesse. Hierbei wird zwischen den folgenden 6 Prozessen differenziert:

1. Zugang/Erreichbarkeit und Anmeldung: Kernziele werden definiert im Hinblick auf die Terminvergabe (zeitnah und bedarfsspezifisch), die telefonische Beratung (strukturiertes Verfahren) sowie die Erreichbarkeit (Sicherstellung einer 24-Stunden- Versorgung).

2. Untersuchung und Diagnostik: Gefordert ist hier ein geordnetes Verfahren zur Anamnese (strukturierte Erhebung), zur körperlichen Untersuchung und psychosozialen Erhebung (Durchführung bei jedem Patienten und bedarfsweise Wiederholung) sowie zur Diagnostik (Einbeziehung früherer Untersuchungsergebnisse, Benennung verantwortlicher und geeigneter Mitarbeiter, Verfahrensanweisungen zu Diagnostikprozessen). Explizit angesprochen sind folgende Bereiche:

  • Externe Befunde und mitgebrachte Unterlagen: Forderungen zur systematischen Berücksichtigung und Handhabung (Archivierung, Rückgabe, Zuordnung zum Patienten) aller externen Befunde, Unterlagen, Arztbriefe usw.
  • Vorläufige Diagnose und Überweisungsaufträge: Gefordert wird eine strukturierte Arbeitsdiagnose als Grundlage weiterer Leistungen, sowie ein nachvollziehbares Vorgehen im Rahmen der Ausstellung von Überweisungen bzw. der Anforderung von Konsilen.

3. Therapie und Versorgung: Wesentliche Anfordeungen beziehen sich hier auf die Berücksichtigung der Patientenbedürfnisse einerseits sowie des Stands des medizinischen Fachwissens andererseits; der Patient ist in alle Behandlungsschritte einzubeziehen. Im einzelnen werden die folgenden Bereiche unterschieden:

  • Indikationserstellung, Therapieentscheidung und Therapieplanung: Ermittlung des Versorgungsbedarfs und Treffen einer Therapieentscheidung unter Beachtung des "state of the art", der Patientenbedürfnisse sowie des Wirtschaftlichkeitsgebots.
  • Information, Aufklärung und Einwilligung des Patienten (informed consent): Ausführliche Information des Patienten und Diskussion möglicher Alternativen vor der Zustimmung zu einer diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme; umfassende Information des Patienten zur Anwendung von Arzneimitteln, Verbandstoffen usw.
  • Verordnung von Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln und anderen Leistungen: Gefordert ist die ständige Überwachung der Wirkungen von Medikamenten auf die Patienten; Nebenwirkungen sind zu dokumentieren und ggf. zu melden.
  • Eigenständige Leistungen und Eingriffe: Die Qualifikation des Praxisteams sowie die Praxisausstattung muss den durchgeführten Leistungen entsprechen.
  • Interne Behandlungspfade: Für häufige oder schwere Erkrankungen müssen mindestens 5 praxisinterne Behandlungspfade erarbeitet worden sein und nachweisbar angewendet werden.
  • Erkrankungsspezifische Beratung und Schulung der Patienten: Patienten werden systematisch und nachweislich zu ihrer Erkrankung informiert /beraten/geschult.

4. Kontinuität der Versorgung

  • Sicherung des Therapieerfolges bzw. der erbrachten Leistungen: Einführung eines Verfahrens zum Abgleich von Therapieergebnis auf der einen Seite sowie Diagnose- und Therapiezielen auf der anderen Seite.
  • Interne Kooperation und Kommunikation: Regelungen zum Austauschs von Informationen einschl. des Zugriffs auf Patientenunterlagen innerhalb des Praxisteams.
  • Externe Kooperation und Kommunikation: Sicherstellung, dass Informationen zwischen der Praxis und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens sorgfältig, zeitnah und unter Beachtung datenschutzrechtlicher Belange übermittelt werden.

5. Gesundheitsförderung und Prävention

  • Leistungsangebot und Zielgruppen: Systematische Information und Schulung der Patienten zu allgemeinen Gesundheitsthemen und gesundheitsförderndem Verhalten.

6. Notfallmanagement

  • Identifikation von Notfällen und deren Dokumentation: Verlässliche Identifikation und direkte Versorgung von Notfällen
  • Notfallausstattung und Notfallplan: Eine dem Leistungsspektrum der Praxis entsprechende Notfallausstattung wird vorgehalten, die qualifizierte Handhabung durch das Praxisteam wird sichergestellt und es erfolgt eine regelmäßige Überwachung/Wartung.
  • Fallbesprechung und Schulung: Gefordert ist eine zeitnahe Auswertung von Notfällen durch das Praxisteam sowie darauf aufbauend die Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen.

Zur Inhaltsübersicht!

Teil 3: Information und Patientensicherheit

Eine sachgerechte Kommunikation mit dem Patienten, ein vertrauensvoller Umgang mit sensiblen Informationen sowie die jederzeitige Gewährleistung der Patientenrechte sind wesentliche Voraussetzungen einer optimalen Patientenversorgung. Hierbei werden Anforderungen aus den folgenden Bereichen gestellt.

1. Patientenrechte und Information: Gefordert ist zum einen ein respektvoller Umgang mit dem Patienten sowie eine ausreichende Information zum Leistungsspektrum der Praxis (Praxisbroschüre) und die Vorhaltung einer Reihe aktueller Informationen über häufige Krankheitsbilder, wichtige lokake Organisationen usw.

2. Risikomanagement/Fehlermanagement: Die Kernforderung hier ist die Gewährleistung einer Patientensicherheit während des Praxisaufenthaltes und der Behandlung, z. B. durch Information/Schulung der Patienten im Umgang mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten.

3. Vertraulichkeit und Datenschutz: In diesem Abschnitt wird gefordert, dass bei Besprechungen und Untersuchungen jederzeit die Intimsphäre des Patienten gesichert ist. Darüber hinaus muss Vertraulichkeit auch im Hinblick auf Anfragen von Angehörigen und anderen Personen gewährleistet sein. Schließlich sollte ein Verfahren installiert sein, welches einen geordneten Umgang mit Patientendaten (Patienakten und andere Unterlagen) regelt.

Zur Inhaltsübersicht!

Teil 4: Mitarbeiter und Fortbildung

Dem hohen Stellenwert des Praxispersonals für eine hochwertige Patientenversorgung wird hier durch eine Reihe von Anforderungen entsprochen, die in drei Bereichen enthalten sind.

1. Mitarbeiterorientierung und Personelle Ressourcen: Hier wird zunächst eine auf das Leistungsangebot abgestimmte Personalbedarfsplanung gefordert; darüber hinaus ist in Stellenbeschreibungen u.a. das Qualifikationsprofil der einzelnen Stellen zu dokumentieren. Über eine geregelte Einarbeitungsphase soll den Mitarbeitern ein optimaler Einstieg ermöglicht werden. Die Sicherstellung ausreichender und rechtzeitiger Mitarbeiterinformationen sowie regelmäßig und strukturiert ablaufende Teambesprechungen sind weitere Forderungen. Schließlich wird ein ständiges Bemühen um den Schutz und die Förderung der Gesundheit der MitarbeiterInnen vorausgesetzt.

2. Aus-, Fort- und Weiterbildung: Einbezogen ist hier das gesamte Praxispersonal; für die Auszubildenden wird eine systematische Integration in den Praxisalltag und in das Praxisteam verlangt. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf die Assistenzärzte. Für alle in der Praxis Tätigen ist der Fortbildungsbedarf regelmäßig zu ermitteln; dieser muss auf die Ziele und das Leistungsspektrum der Praxis abgestimmt sein.

3. Fachliteratur, Leitlinien und Evidenzbasierte Medizin: Durch einen angemessenen Umgang mit bzw. Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, Leitlinien und evidenzbasierten Veröffentlichungen ist gewährleistet, dass Diagnostik und Behandlung dem "state of the art" entsprechen.

Zur Inhaltsübersicht!

Teil 5: Rahmenbedingungen und Praxisorganisation

In diesem abschließenden Teil des QM-Modells werden Voraussetzungen für eine hochwertige Patientenversorgung definiert, die sich auf die Infrastruktur der Praxis beziehen. Explizit angesprochen sind hier 5 Bereiche.

1. Normative Rahmenbedingungen: Angesprochen ist hier die Sicherstellung einer konsequenten Berücksichtigung aller relevanten Rechtsnormen (Gesetze, Richtlinien, Verordnungen, Vorschriften usw.). Die Praxisleitung muss eine angemessene Information aller PraxismitarbeiterInnen gewährleisten.

2. Räumliche und materielle Ressourcen: Alle Räumlichkeiten, Einrichtungen, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände müssen so beschaffen sein, dass sie eine sachgerechte Durchführung der angebotenen Praxisleistungen ermöglichen und das Wohlbefinden und die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern gewährleisten. Hierbei ist der Nachweis einer Beachtung rechtlicher Vorschriften (z.B. Arbeitsstättenverordnung, berufsgenossenschaftliche Vorschriften, zusätzliche fachgebietsspezifische Anforderungen – etwa für operative Einrichtungen usw.) erforderlich. Weiterhin sind die medizinisch-technischen Geräte regelmäßig zu warten und ggf. zu eichen. Schließlich ist ein geordnetes Verfahren zur Beschaffung und Lagerung von Verbrauchsmaterialien zu installieren.

3. Arbeitsschutz und Hygiene: MitarbeiterInnen werden systematisch zu möglichen Gefahren im Praxisalltag informiert/unterwiesen, berufsgenossenschaftliche Vorschriften sowie Richtlinien, Empfehlungen und Unfallverhütungsvorschriften zur Praxishygiene sind bekannt und werden berücksichtigt. Gleichsam existiert ein die Vorschriften beachtendes Verfahren zur Entsorgung potenziell infektiösen Abfalls.

4. Rechnungswesen und Controlling: Abgestellt wird hier auf die Sicherung und Überwachung der Praxiswirtschaftlichkeit. Zum einen soll dies über eine Leistungsabrechnung auf der Grundlage der jeweils gültigen Abrechnungsvorschriften (insbesondere EBM) geschehen, zum anderen wird hierzu eine jährliche Finanz-, Liquiditäts- und Investitionsplanung gefordert.

5. Informationsmanagement: Durch eine Ausstattung der Praxis mit moderner Informationstechnologie sowie deren konsequente Nutzung durch entsprechend qualifizierte MitarbeiterInnen sollen die Praxisabläufe wirkungsvoll unterstützt werden. Die Nutzung muss unter Wahrung wesentlicher Anforderungen zum Datenschutz und zur Datensicherung erfolgen.

Zur Inhaltsübersicht!

IV. Bewertung/Auditierung des QM-Systems

Im Rahmen des hier betrachteten Konzepts ist ebenfalls eine Bewertung der einzelnen Praxis angedacht. Diese orientiert sich an den Qualitätszielen des Modells und sieht eine Überprüfung anhand von Befragungen sowie der Sichtung sonstiger Nachweise (Beobachtungen, Dokumente) vor. Unterschieden wird zwischen einer zunächst intern durchzuführenden Eigenbewertung, die dann auf Wunsch durch eine spätere externe Bewertung ("Zertifizierung") seitens eines QM-Sachverständigen ("Visitor"/"Auditor") ergänzt werden kann. Das Bewertungsraster sieht eine Punktevergabe je Qualitätsziel vor, die entweder die Ausprägungen 0 (nicht erfüllt) und 1 (erfüllt) oder Werte von 0 bis 3 (nicht erfüllt/ansatzweise erfüllt/teilweise erfüllt/umfassend erfüllt) annehmen kann.

Zur Inhaltsübersicht!

V. Fazit

Das hier vorgestellte QM-Modell ist als umfassender Ansatz zu kennzeichnen, der für die einzelne Praxis eine Vielzahl von Anregungen zum Aufbau eines wirkungsvollen QM-Systems enthält. Zu begrüßen ist darüber hinaus die Unterscheidung zwischen den sog. Kernzielen und –anforderungen (als – allerdings schon anspruchsvollem – Einstieg in QM) einerseits und darüber hinausgehenden Zielen und Anforderungen andererseits. Gegenüber der EN ISO 9001 hat das KBV-Modell den Vorteil einer unmittelbaren Bezogenheit auf die Zielgruppe in Verbindung mit konkreten Beispielen aus der ambulanten Versorgung. Im Vergleich zum "KPQ-Modell" der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe ist das KBV-Modell weitaus umfangreicher und handlungsleitender. Unter Berücksichtigung dieser und der inhaltlichen Aspekte gehen wir davon aus, dass sich das KBV-Modell über kurz oder lang als Standard in der ambulanten vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung durchsetzen wird. Intelligent, d.h. praxisspezifisch, flexibel sowie nicht "dokumentationswütig" und rein "zertifizierungsorientiert", umgesetzt, bietet das Modell gute Voraussetzungen dafür, dass alle Beteiligten (namentlich Patienten, Praxisleitung und -mitarbeiterinnen sowie Kostenträger) erheblichen Nutzen erfahren werden.

Eine Seite zurück!