Das "Europäische Praxisassessment" (EPA)

Einführung
„EPA" steht für europäisches Praxisassessment und ist ein Gemeinschaftsprojekt der „European Task Force on Practice Assessment" (TOPAS-Europe; Leitung Prof. Dr. Grol – Niederlande) und der Bertelsmann-Stiftung; verantwortlich für die Durchführung des deutschen Projektteiles ist das „AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen". Das im Folgenden skizzierte Modell (Version 03 mit Stand vom 16.04.2004) hat seinen Ursprung u.a. in dem in den Niederlanden bereits seit Jahren erfolgreich angewandten „Visitatie-Modell" und ist ausdrücklich konzipiert für den hausärztlichen Bereich. Informationen rund um das Modell finden sich im Internet unter www.praxistest.de sowie www.aqua-institut.de. Die zwölfseitige Modellbeschreibung können Sie auch hier als pdf-Datei erhalten

Im einführenden Teil des Modells werden als wesentliche Merkmale u.a. genannt:

starke Konzentration auf Qualitätsindikatoren
Einbeziehung der wesentlichen Interessengruppen (Praxisinhaber, Mitarbeiter, Patienten),
Ermöglichung externer Vergleiche im Rahmen eines Benchmarking
Einsatz validierter und evaluierter Instumente zur Patienten- und Mitarbeiterbefragung,
leichte Umsetzbarkeit,
Assessment/Auditierung durch „peers"
weitgehende Komplementarität zu anderen QM-Modellen (ISO, EFQM usw.).

Grundstruktur
Das Modell besteht aus den in der folgenden Abbildung bestehenden fünf Hauptkomponenten:

Die "fünf Domänen" von EPA

Die fünf Domänen von EPA

Diesen Hauptbereichen werden auf der zweiten hierarchischen Ebene 26 sogenannte „Dimensionen" zugeordnet, welche die Domänen näher beschreiben. Auf der dritten Ebene werden diese Dimensionen dann ihrerseits wieder anhand von 168 Indikatoren spezifiziert, die letztendlich durch 463 Items (Fragen oder Informationen) abgefragt/bewertet werden können.

Kerninhalte
Nachfolgend seien die zentralen Inhalte der fünf QM-Domänen kurz beschrieben:

1. Infrastruktur: Abgestellt wird hier auf eine dem Leistungsspektrum angemessene sachliche Ausstattung (einschl. Räumlichkeiten), die Sicherstellung einer optimalen Datensicherheit (PC´s) sowie die Gewährleistung einer guten Erreichbarkeit usw.

2. Menschen: Auf dem Prüfstand stehen hier im weitesten Sinne der Umgang mit Patienten und Mitarbeitern; dies impliziert beispielsweise das Thema Wartezeiten (positive Beurteilung durch Patienten) oder aus Sicht der MitarbeiterInnen ausreichende Weiterbildungsmöglichkeiten, eine motivierende Personalführung usw.

3. Informationen: Dieser von der Anzahl der zugehörigen Dimensionen umfangreichste Themenbereich beschäftigt sich mit den Aspekten Umgang mit Behandlungsdaten, Verfahren der Wiedereinbestellung, Bereitstellung von Fachinformationen für BehandlerInnen und MitarbeiterInnen, Regelungen zur Sicherstellung vertraulicher Informationen, Patienteninformation (allgemeine und behandlungsspezifische), Maßnahmen zur Krankheitsvermeidung, sachgerechter DV-Einsatz sowie Kommunikation mit anderen Leistungserbringern.

4. Finanzen: Durch den expliziten Einbezug dieser Domäne soll die wirtschaftliche Dimension einer Arztpraxis Berücksichtigung finden. Eine Reduzierung dieses Bereiches auf die Dimensionen „finanzielle Leitung und Verantwortung", „finanzielle Planung" und „jährlicher Finanzbericht" ist allerdings nicht mehr als ein bescheidener Anfang betriebswirtschaftlicher Praxisführung.

5. Qualität und Sicherheit: Im Rahmen dieser Domäne geht es zum einen um die Gewährleistung einer bestmöglichen Patienten- und MitarbeiterInnensicherheit (Verletzungs-/Infektionsschutz); zum anderen werden die für ein QM-System wesentlichen Bereiche der Qualitätspolitik sowie der kontinuierlichen Verbesserung (z.B. über ein Beschwerde- und Fehlermanagement) angesprochen.

Bewertung/Auditierung des QM-Systems
Die Bewertung des QM-Systems durch verschiedene Gruppen ist ein Wesensmerkmal von EPA. Eine Gesamtbewertung der Hausarztpraxis unterteilt sich in die folgenden Phasen:

schriftliche Befragung von 75 Patienten,
Mitarbeiterbefragung (über Internet oder Papier),
Selbstassessment/Selbstauskunft (über Internet oder Papier)
Visitation durch einen „peer" mit den Schritten Praxisbegehung mit Checkliste, Befragung des verantwortlichen Arztes, Teambesprechung, Feedback und online-Benchmarking mit dem Werkzeug „Visotool®".
Nach der Visitation erhält die Praxis einen schriftlichen Feedbackbericht; die Ergebnisse werden dann innerhalb von drei Monaten in einem Qualitätszirkel oder workshop besprochen (peer review).

Besonders interessant und innovativ an diesem Ansatz ist die konsequente Nutzung von Internettechnologie, namentlich in Form einer Benchmarking-Datenbank, auf die jede teilnehmende Praxis drei Jahre lang kostenlos zugreifen kann. Hierdurch wird ein kontinuierlicher Vergleich mit vergleichbaren bzw. den „besten" Praxen ermöglicht, was eine wichtige Grundlage für kontinuierliche Verbesserungsanstrengungen ist.

Die Kosten, die durch das hier skizzierte Bewertungsverfahren einschl. der Zertifikatsvergabe durch die „Stiftung Praxistest e.V." entstehen, belaufen sich auf 1.750 € zzgl. der gesetzlichen MwSt.

Fazit
Das hier skizzierte EPA-Modell ist als eigenständiger QM-Ansatz zu kennzeichnen, der auf besonderen Anforderungen (vor allem Praktikabilität) von i.d.R. kleinen Hausarztpraxen berücksichtigt. Der umfangreiche - im Rahmen des Selbst- und Fremdassessments zu überprüfende – Kriterienkatalog liefert den Praxen eine Reihe von Denkansätzen für Verbesserungen. Die Einteilung in die fünf Domänen (als Hauptansatzpunkte von QM) ist recht eigenwillig, jedenfalls wenn man dies mit den anderen etablierten Modellen vergleicht. Bei bereits QM-geschulten Ärztinnen und Ärzten dürfte dies zu einiger Verwirrung führen (so fehlt hier bspw. völlig der in allen anderen Modellen zentrale Begriff „Prozesse"), wohingegen „QM-Anfänger" durch die nicht oder nur wenig qm-spezifische Nomenklatur wohl einen leichteren Zugang zum Thema finden. Das „Highlight" von EPA stellt aus unserer Sicht zweifellos das Benchmarking-Verfahren dar, welches durch die verwendete datenbankbasierte Umsetzung ein sehr hohes Nutzenpotenzial für die einzelne Hausarztpraxis hat.

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