KVP-Forschungsprojekt
"Konzeption und Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses in der ambulanten Versorgung"
Projektskizze 1: Zahnarztpraxen (Projektlaufzeit: Januar bis Dezember 2003)
I. Untersuchungsdesign
In der Summe sind in der Studie sechs zahnärztliche Praxen vertreten; hierbei handelt es sich um zwei Praxisgemeinschaften mit jeweils zwei vollzeitbeschäftigten Ärzten/Ärztinnen zwei Gemeinschaftspraxen mit 1,25 bis 2 Ärztevollzeitstellen sowie 2 Einzelpraxen mit ebenfalls 1,25 bzw. 2 Ärztevollzeitstellen.
In einer ersten konstituierenden Sitzung wurden alle Praxisinhaber/innen über das Projekt informiert. Neben einer gemeinsamen Diskussion der Projektziele und -inhalte wurde den Teilnehmern ein schriftlicher Projektleitfaden ausgehändigt, der u.a. eine Beschreibung der in Frage kommenden KVP-Instrumente enthält. Darüber hinaus wurden Erhebungsbögen ausgeteilt. Diese schriftliche Befragung sollte uns eine Orientierung zu den wesentlichen Praxisgegebenheiten bieten und darüber hinaus den Einstieg in Richtung eines "benchmarking" fördern. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse stark abweichende Daten zwischen den einzelnen Praxen.
II. Konzeption und Implementierung einzelner KVP-Instrumente
In dieser Projektphase wurden die im Projektleitfaden idealtypisch beschriebenen KVP-Instrumente praxisspezifisch ausgestaltet und eingeführt.
1. Die KVP-Instrumente im Überblick
In der folgenden Grafik sind neun - zumindest im nicht-medizinischen Bereich weit verbreitete - Instrumente zur kontinuierlichen Verbesserung von Organisationen/ Unternehmen dargestellt.
Kurzbeschreibung der KVP-Instrumente:
Vorschlagswesen Mitarbeiter: Dieser zentrale KVP-Baustein geht davon aus, dass alle Mitarbeiter/innen systematisch also organisatorisch geregelt die Möglichkeit erhalten, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Von einem betrieblichen Vorschlagswesen spricht man dann, wenn hier ein entsprechendes (materielles) Anreizsystem hinterlegt ist.
Vorschlagswesen Patienten: Patienten erfahren Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität "am eigenen Leibe". Insofern gehört eine systematische Einbindung des Patienten im besonderen, wie des Kunden im allgemeinen, zu jedem fortschrittlichen QM-System gleich in welcher Branche. Wer Qualität systematisch "herstellen" will, muss die Anforderungen, Kritikpunkte und Lösungsvorschläge seiner Kunden kennen.
Patientenzufriedenheit: Die regelmäßige Erfassung der Patientenzufriedenheit über mündliche und/oder schriftliche Patientenbefragungen soll der Praxisleitung ein Feedback über die Leistungsqualität (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) geben, um einerseits die Wirksamkeit des QM-/KVP-Systems überprüfen zu können und andererseits Hinweise auf noch zu optimierende Sachverhalte zu erhalten.
Externe Audits/Interne Audits: Audits dienen grundsätzlich der Überprüfung der Wirksamkeit bzw. Effizienz von Leistungen, Systemen oder Prozessen im Hinblick auf die Unternehmensziele; im Kontext mit einem QM-System steht i.d.R. das System selber (sog. Systemaudits) oder zentrale Abläufe (sog. Prozessaudits) auf dem Prüfstand. Von internen Audits spricht man, wenn Planung und Auditdurchführung von einem Mitglied der zu auditierenden Organisation erfolgen. Als Vorteil einer solchen Überprüfung sind die betriebsspezifischen Kenntnisse zu nennen, während als mögliche Nachteile die Aspekte der "Betriebsblindheit" sowie der mangelnden Neutralität ins Feld geführt werden. Im medizinischen Bereich spricht man bei externen Audits auch von einem sog. "Peer Review" (z.B. im Rahmen des niederländischen "Visitatie-Modells"), bei dem eine Praxis von einem Kollegen/einer Kollegin systematisch auf Verbesserungspotenzial hin analysiert wird. Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion scheint es offen, ob die Auditierung durch einen "fachfremden" externen Auditor (Nicht-Mediziner) günstiger ist.
Externe Qualitätszirkel/Interne Qualitätszirkel: Ein Qualitätszirkel besteht aus einer Gruppe von Mitarbeitern, die sich regelmäßig innerhalb oder ausserhalb der Arbeitszeit zusammensetzen, um Qualitätsprobleme zu erörtern, deren Ursachen nachzugehen, Lösungen zu empfehlen und Verbesserungen zu veranlassen. Die Gruppenarbeit sollte hierbei durch geeignete Problemlöse- bzw. Kreativitätstechniken unterstützt werden. Geeignet erscheint dieses Instrument für die gemeinsame Bearbeitung komplexerer Problemstellungen. Möglich ist etwa, dass aus dem Vorschlagswesen resultierende, aber nicht unmittelbar umsetzbare Verbesserungsmaßnahmen in internen Qualitätszirkeln weiter bearbeitet werden. Relativ weite Verbreitung im medizinischen Bereich haben externe Qualitätszirkel, bei denen sich i.d.R. 6 - 12 Praxisinhaber einer Fachrichtung mit der Erarbeitung von Leitlinien, der Durchführung von Schulungen usw. beschäftigen. Ein sog. "Benchmarking" könnte ein weiterer Schwerpunkt praxisübergreifender Qualitätszirkelarbeit sein. Hierbei vergleichen sich die beteiligten Praxen regelmäßig im Hinblick auf ausgesuchte Kennziffern. Der Turnus medizinischer Qualitätszirkel schwankt nach den uns vorliegenden Informationen zwischen monatlich bis halbjährlich; Unterschiede finden sich ebenfalls im Hinblick auf die Frage moderierte oder nicht-moderierte Gruppenarbeit. Neben der Funktion des Know-how-Transfers könnten solche "Praxisnetzwerke" noch zahlreiche andere Aufgaben übernehmen, wobei die Motivation hierfür hauptsächlich wirtschaftlicher Natur ist. Einzel-, aber auch kleinere Gemeinschaftspraxen liegen u.E. unterhalb einer kritischen Größenschwelle. Für die konsequente Nutzung von Synergien (Größenvorteilen) auf ausgesuchten Kooperationsfeldern könnten medizinische Qualitätszirkel die Keimzelle sein.
Mitarbeiterzufriedenheit: Die im Rahmen eines KVP generierten Maßnahmen betreffen in hohem Maße die tägliche Arbeit. Verbesserte Arbeitsabläufe, Kommunikation, Zusammenarbeit, Arbeitsmittel sollten sich zumindest mittel- bis langfristig in einer höheren Arbeitszufriedenheit niederschlagen. Den gleichen Effekt sollte die Beteiligung der Mitarbeiterinnen am KVP selbst haben, da Arbeit hierdurch aktiv mitgestaltet werden kann. Über regelmäßige "Messungen" sollte dieser Trend nachgewiesen werden können; darüber hinaus ergeben diese Analysen erfahrungsgemäß Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen.
Kennziffern/Benchmarking: Kennziffern sind hochverdichtete Informationen zur Erfassung der jeweils erreichten Qualitätslage. Üblicherweise beziehen sich die in einem QM-System verwendeten Kennziffern sowohl auf die wirtschaftliche als auch auf die leistungsbezogene Situation. Typische Beispiele für den wirtschaftlichen Bereich sind solche Größen wie "cash flow", "Gesamtkapitalrentabilität", "abgerechnete Punkte je Vollzeitstelle Mitarbeiter" usw., während sich die Qualität im leistungsbezogenen Bereich beispielhaft durch solche Größen wie "durchschnittliche Wartezeiten", "Anzahl der Beschwerden", "durchschnittliche Haltbarkeit prothetischer Arbeiten" abbilden läßt. Solche Kennziffern sind die Grundlage für einen Praxisvergleich; im Rahmen eines solchen "Benchmarking" können Ursachen für signifikante Abweichungen zwischen den beteiligten Praxen analysiert und gezielte Verbesserungsmaßnahmen initiiert werden.
2. Auswahl der geeigneten KVP-Instrumente durch die Projektteilnehmer
Ein Schwerpunkt des ersten ca. fünfstündigen Workshops mit der Projektgruppe, bildete die Auswahl der von den jeweiligen Praxisinhabern favorisierten KVP-Instrumente. An dem Workshop nahmen neben 10 Zahnärztinnen/Zahnärzten noch 14 Mitarbeiterinnen ("Helferinnen") teil; im nachhinein erwies sich diese große Anzahl von Teilnehmern als kritisch, da von den beiden Moderatoren kaum mehr steuerbar. Moderiert wurde der Workshop mit Hilfe der Metaplantechnik.
Damit von den Teilnehmern eine rationale Auswahl der in ihrer Praxis einzusetzenden KVP-Instrumente vorgenommen werden konnte, wurden in einem ersten Arbeitsschritt Praxisziele abgefragt; die hier von den Teilnehmern auf Metaplankarten geschriebenen Ziele wurden zu den folgenden Kategorien zusammengefasst:
- Optimales Praxisbild nach aussen - Qualitativ hochwertiges Leistungsspektrum - Optimale Arbeitsorganisation - Stressreduktion - Hohe Wirtschaftlichkeit - Arbeitszufriedenheit.
Im Rahmen der Zieldiskussion zeigte sich, dass eine Beschäftigung mit diesem Thema doch relatives - im Vergleich etwa zu anderen Unternehmen - "Neuland" ist. Von einem ausformuliertem Praxisleitbild, welches von Praxisleitung und Mitarbeiterinnen getragen wird und für den Aufbau eines zertifizierbaren QM-Systems unerläßlich wäre, ist man jedenfalls noch "meilenweit" entfernt.
In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Teilnehmer/innen nunmehr gebeten, die für ihre Ziele relevanten - also diese Ziele vermeintlich stark fördernden - KVP-Instrumente auszuwählen. Das Ergebnis dieser Auswahl ist in der folgenden Übersicht dargestellt:
Auswahl der KVP-Instrumente |
||||||
KVP-Instrumente | Praxis
1 |
Praxis 2 |
Praxis 3 |
Praxis 4 |
Praxis 5 |
Praxis 6 |
Vorschlagswesen Mitarbeiter | X | X | X |
X | X | X |
Vorschlagswesen Patienten | ||||||
Interne Audits | X |
X |
X |
X | X |
|
Externe Audits | X |
X |
X |
X |
X | |
Interne Qualitätszirkel | X |
X |
X |
X |
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Externe Qualitätszirkel | X |
X |
X |
X |
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Mitarbeiterzufriedenheit | X |
X |
X |
X |
X | X |
Patientenzufriedenheit | X |
X |
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Kennziffern/Benchmarking | ||||||
EP: Einzelpraxis; GP: Gemeinschaftspraxis; PG: Praxisgemeinschaft |
Wie die Übersicht auf den ersten Blick illustriert, haben sich die Praxisinhaber für einen relativ breiten Einsatz des verfügbaren KVP-Instrumentariums entschieden. Nur die beiden Instrumente "Vorschlagswesen Patienten" und "Benchmarking" wurden nicht ausgewählt - letzteres wegen des damit verbundenen Einführungsaufwandes und der mangelnden (betriebswirtschaftlichen) Qualifikation der Praxisinhaber/innen. Mit nur einer Anwendung ist die Erfassung der Patientenzufriedenheit - erstaunlicherweise - sehr schwach ausgeprägt.
3. Einführung der KVP-Instrumente
Für die von den Praxen favorisierten KVP-Instrumente wurden nunmehr Entwürfe von Verfahrensanweisungen erstellt. Verfahrensanweisungen beschreiben in einem QM-System wichtige Regelungen und Abläufe; im Falle einer Zertifizierung dienen diese als sog. "Nachweisdokumente". Die Verschriftlichung solcher Regelungen empfiehlt sich darüber hinaus, um den Mitarbeiterinnen eine verlässliche Orientierung zu geben und den verbindlichen Charakter zu unterstreichen. Bei der Erstellung der Verfahrensanweisungen haben wir uns von dem Grundsatz "so viel wie nötig, so wenig wie möglich" leiten lassen, so dass keine Verfahrensanweisung mehr als drei Seiten umfasst.
Die Entwürfe wurden dann in den einzelnen Praxen mit der Praxisleitung und den Mitarbeiterinnen diskutiert. In dieser Diskussion wurden praxisspezifische Besonderheiten erfasst und im Hinblick auf die Organisation der einzelnen KVP-Instrumente berücksichtigt. Im Ergebnis sind bislang die folgenden Verfahrensanweisungen in Kraft gesetzt (von der Praxisleitung freigegeben):
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess: Grundsätzliche Beschreibung des KVP-Systems (Grundsätze, Zwecke, Instrumente)
Vorschlagswesen Mitarbeiter: Beschreibung des Verfahrens von der Fehler-/Problemfeststellung bis zur Korrektur-/Vorbeugungsmaßnahme. Alle Praxisleitungen haben sich für ein Prämiensystem entschieden; die Kriterien für die Prämienvergabe sind überall identisch, Abweichungen zwischen den einzelnen Praxen gibt es hingegen bei der Frage, ob die Festsetzung der Prämien von der Praxisleitung alleine oder durch einen auch mit Mitarbeiterinnen besetzten Ausschuss vorgenommen wird. Unterstützt wird das gesamte Verfahren "Vorschlagswesen" durch ein Formblatt.
Mitarbeiterzufriedenheit: In dieser Verfahrensanweisung wird u.a. geregelt, dass einmal jährlich ein anonymisierter Fragebogen an die Mitarbeiterinnen verteilt wird; die Ergebnisse werden von der Praxisleitung ausgewertet und mit den Mitarbeiterinnen besprochen. Hierdurch sollen gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen ermöglicht werden. In der Anlage zur Verfahrensanweisung wurde der Fragebogen in seiner - bedarfsspezifisch weiter zu entwickelnden - Grundstruktur mitgeliefert.
Patientenzufriedenheit: Das in zwei Praxen eingesetzte Verfahren zur systematischen Erfassung der Patientenzufriedenheit sieht im Kern eine jährliche schriftliche Befragung ausgewählter Patienten vor. Eine "flächendeckende" Befragung wird von der Praxisleitung - unter Aufwand-Nutzen-Relationen betrachtet - als zu wenig effizient eingeschätzt. Insofern sollen "nur" ca. 5 - 10 % der jährlich rd. 3000 Patienten befragt werden. Diese werden persönlich angesprochen (keine Auslage der Fragebögen in der Praxis) und in den Fragebogen "eingewiesen". Der Fragebogen selber umfasst ca. 20 Items zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.
In einem weiteren workshop wurden von den Teilnehmern beispielhafte Auditfragelisten zu den als kritisch erachteten Prozessen "Terminplanung", "Materialbeschaffung" und "Leistungsabrechnung" erarbeitet. In den Monaten September/Oktober fanden auf dieser Basis Verfahrensaudits in den einzelnen Praxen statt. Die Auditorganisation sieht vor, dass wir die Rolle des 1. Auditors übernehmen, während die Gruppe der Zahnärzte jeweils den/die Coauditor/in stellt. Die Audits finden "überkreuz" i.S. einer wechselseitigen Praxishospitation statt.